Thema Pflege

Ja, was soll man aktuell zu der Pflege in Deutschland sagen? Ich bin in der Altenpflege seit meinem Zivildienst tätig, habe meine Ausbildung gemacht sowie später eine Fortbildung zum Pflegedienstleiter.

Ich bin im Bereich der häuslichen Pflege tätig, das heißt wir besuchen die Klienten in ihrem Zuhause. Es ist in der Altenpflege und ich schätze auch in anderen Bereichen im Gesundheitswesen nicht immer einfach mit Herausforderungen oder im allgemeinen mit dem Alltag zurecht zu kommen. Doch was seit letzten Jahr, 2021, so geschieht ist ein Dilemma.

Worum geht es? nun es geht darum das das Tariftreue Gesetz für die Altenpflege verabschiedet wurde, das heißt das viele Pflegedienste sowie Stationäre Einrichtungen sich einem Tariflohn anlehnen müssen oder sie benutzen das „regional übliche Entgeltniveau“ und nehmen diese Zahlen an.

Bemerkung, es ist gut und richtig das Mitarbeiter und Kollegen in der Branche ein gutes Gehalt bekommen um genauso diesen Job Attraktiv zu halten.

Was ist das Problem? Das Problem ist nicht die Anlehnung an einen Tarif – Vorausgesetzt man könnte in die Tarifwerke hineinschauen, das ist leider nicht der Fall. Es ist ein unterfangen überhaupt Informationen zu erhalten was das Tarifwerk beinhaltet.

Das reale Problem und das kommt leider zu Kurz ist die „Refinanzierung“; kommen wir nun zu der Frage was heißt Refinanzierung? ich hoffe ich schaffe es zu verständlich zu erläutern. Es wird etwas Lesearbeit kosten deswegen können Sie es unter „Weiterlesen“ sich durchlesen.

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Der Pflegedienst hat ein Vertrag mit den Kranken-/Pflegekassen, einen sogenannten Versorgungsvertrag. Dieser Vertrag stellt sicher, das wir als Pflegedienst tätig sein dürfen, denn die Kassen haben überprüft das wir die Grundvoraussetzungen erfüllen überhaupt ein Pflegedienst zu sein.

Nun haben wir Klienten/Kunden/Patienten die wir versorgen, im Normalfall meldet sich der Kunde, ein Angehöriger oder das Klinikum bei uns. Es wird dann ein Erstgespräch geführt und die gewünschten Leistungen besprochen, geplant, Organisiert – nichts ungewöhnliches in einer Dienstleistungsbranche. Jetzt kommt die Frage in den Raum wer bezahlt das? Es gibt nun zwei Möglichkeiten die Leistungen zu bezahlen, zum einen alles Privat oder der Kunde hat einen Pflegegrad (1-5) und kann dies mit dem Pflegegeld begleichen – sprich die Pflegekasse zahlt.

Soweit sogut. Gehen wir davon aus das der Kunde einen Pflegegrad 3 hat, das heißt ihm steht ein Budget von 1363€ monatlich zu (klingt viel stimmts?) das Budget steht jedoch nur zur Verfügung wenn man sich Professionelle Hilfe durch einen Pflegedienst holt oder eben in eine stationäre Einrichtung zieht.

Möchte man beides nicht und ein Angehöriger oder der Lebensgefährte/Ehepartner übernimmt die Pflege dann steht ein Budget von 545€ zu. – ich lass dies mal unkommentiert.

Nehmen wir an der Kunde möchte Leistungen für 2 Anfahrten pro Tag sprich Früh und Abends, ich möchte an dieser Stelle nicht weiter ins Detail gehen weil das ziemlich kompliziert ist, warum kompliziert? weil die Versorgungspartner sprich die Pflegekassen, uns (mit uns meine ich sämtliche Pflegedienste), einen Katalog bereitstellen, dieser Katalog umfasst sämtliche Tätigkeiten, die beschreiben was zu welcher Leistung zu erledigen ist bzw. was darin enthalten ist.

Beispiel: Sie gehen zur Massage nehmen eine Massage ihrer Wahl (das wäre in diesem Falle die Leistung) und der Masseur weiß dann was darin enthalten ist.

Die Leistungen in diesem Katalog werden mit Punkten angegeben, sagen wir mal der Kunde möchte eine Große Morgentoilette (damit ist nicht die Toilette gemeint sondern auf Deutsch eine komplett Waschung mit Hilfe beim aufstehen sowie An- und Auskleiden). Diese Leistung wird mit 580 Punkten bewertet, tja und was nun? dazu kommen wir gleich kurzer Exkurs wie die Rechnung der Pflegekasse arbeitet.

Nehmen wir unser Beispiel oben, die Leistung wird mit 580 Punkten bewertet. Der Pflegedienst erhält ebenso einen sog. Punktwert – das ist für uns keine Bewertung sondern der Faktor mit dem wir die Leistung in Geldwert umrechnen können. Der Pflegedienst hat angenommen einen Punktwert von 0,051 Punkten (Komische zahl was? ;-)). Dieser Punktwert wird nun mit der Leistung multipliziert.

580 x 0,051 = 29,58 so und da haben wir endlich mal eine Zahl 29,58€. Das ist das Geld was ich verlangen darf und muss, für die Große Morgentoilette. Klingt richtig viel, für einen Einsatz 29,58€ das stimmt, beinhaltet aber auch die komplette Vorbereitung, Durchführung und Nachbearbeitung, dazu kommen die Lohnkosten, Betriebskosten, also so betrachtet ist von den 29,58€ nicht mehr viel übrig und stellen Sie sich vor das ist schon die „teuerste“ Leistung. Gut soweit, machen wir weiter.

Es ist so dieser Punktwert gilt immer für eine bestimmte Zeit, meistens 1 Jahr und es dringlichst Empfohlen wieder in Verhandlung zu gehen, den ohne höhere Preise desto weniger kommt in die Kasse vom Pflegedienst ergo; wie sie mitbekommen haben sollen die Löhne steigen um diesen Job Attraktiver zu machen. Also muss der Pflegedienst nach einem Jahr wieder mit den Kassen in Verhandlung treten und wenn ich meine Verhandlung dann heißt es Verhandlung, viele Beschreiben es wie ein Türkischen Basar. Der Pflegedienst legt seine Bilanz vor, seine Mehrkosten (z.B. Löhne sind gestiegen, Betriebskosten sind gestiegen, etc etc etc) sind höher als vor einem Jahr. Dann gibt es viele wörtliche Schlagabtausche mit dem gegenüber bis dann ein Ergebnis vorliegt womit beide Parteien „zufrieden“ sind. Jetzt denken Sie bestimmt aus den 0,051 sind jetzt bestimmt 0,061 geworden? aber nein 🙂 wir sprechen hier dann von vielleicht 0,055 Punkten das heißt die Leistung würde dann 31,90€ Kosten, 2,32€ mehr, nicht schlecht was? dann wären wir bei monatlich für 31 Tage 1x Einsatz bei 988,90€. Wunderbar, soweit so klar?

Wir haben den Faktor:

  • Katalog die Leistung hat einen bestimmten Punktwert (z.B: 580Punkte)
  • Der Pflegedienst hat einen Punktwert (z.B.: 0,055Punkte)
  • Der Kunde hat einen Pflegegrad (z.B.: PG 3 – 1363€)

und nun? wo ist das Problem? in den meisten Fällen steigt der Punktwert des Pflegedienstes jedes Jahr, Dieses Jahr ist er bei 0,055 Punkten nächstes Jahr ist er dann vielleicht bei 0,058 oder 0,060 Punkten, bedeutet für den PDL, supi mehr Geld in der Pflegedienst Kasse. Man könnte höhere Löhne zahlen und dazu ein neues Dienstfahrzeug (sorry wird aber kein Porsche oder Mercedes werden) oder neue Investitionen oder Geld für Fort/Weiterbildungen (sind wir auch verpflichtet jedes Jahr den Kassen zu übermitteln). Der Kunde ist mit seinem Pflegegrad 3 wunderbar versorgt erhält 1x täglich eine Waschung und sonst versorgt er sich selbst oder ein Angehöriger macht es, jetzt die reale Fiktion, der Angehörige schafft es nicht mehr, „Lieber Pflegedienst würdet ihr mit unter die Arme greifen?“, na Sicher machen wir das gerne, jetzt kommen mehr Leistungen zu die natürlich durch den Katalog festgelegt sind und wir in „Rechnung“ stellen müssen, logisch. Jetzt erledigen wir Früh die Große Morgentoilette und Abends zusätzlich eine Anfahrt vielleicht das Essen zubereiten und eine kleine Abendtoilette. Vorhin haben wir gesagt die Leistung kostet 988,90€ jetzt sind noch 374,10€ übrig das wären 12,06€ Pro Tag die noch zur Verfügung stehen 18,87€ kostet eine kl. Abendtoilette. Nun kommen wir auf gesamt Kosten von 1573,87€. Was nun? tja wir könnten ja versuchen den Pflegegrad zu erhöhen, das heißt eine erneute Begutachtung durchführen lassen um eine Verschlechterung des Pflegezustandes darzulegen gegenüber den Medizinischen Dienst. Was wird mir dieser Begutachter sagen? Die Pflegesituation bzw. der Zustand ist der gleiche wie vorher nur der Aspekt das der/die Angehörige nicht mehr kann, den Pflege ist eben nicht immer die leichteste Aufgabe. Es gibt keinen höheren Pflegegrad, die kosten von 1573,87€ stehen im Raum, was kann man tun? nun die Leistung neu Besprechen und ggf. kürzen oder einschränken. Es ist nun nicht mehr von Lebensqualität zu sprechen aber man versucht sein Bestes als Pflegedienst dem entgegen zu wirken. So nun haben wir die Leistungen etwas reduziert sagen wir, wir machen nur eine Kleine Toilette früh und Abends sind wir bei Kosten von 18,87€ x 62 (2x täglich 31x mtl.) von 1169,94€, alle sind zufrieden. Soweit, sogut. Damit wären zwei Probleme aus der Welt geschaffen, zum einen die Finanzielle Seite des Pflegebedürftigen zum anderen der Personalmangel.

Wieso Personalmangel? tja da kommen Statistiken ins Spiel, nehmen wir an ein Pflegedienst erbringt Leistungen wie oben und rechnen das auf die Gesamtheit der Kundschaft (natürlich ist jeder Individuell zu betrachten aber zum vereinfachen nehmen wir das oben genannte an) und reduzieren die Leistungen eventuell sogar das man sagt man erbringt aufgrund von Finanziellen Mangel nur eine Grundpflege, dann benötigt man ja statistisch gesehen weniger Personal da einige Einsätze/Anfahrten wegfallen, somit wäre zu einem gewissen Prozentsatz der Personalbedarf geringer.

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ansonsten ein kleiner Abriss;

Nr.1 – Der Pflegedienst verhandelt mit den Kranken-/Pflegekassen für einen höheren Punktwert, mit diesem Punktwert berechnet man den Preis einer Leistung.

Punktwert der Leistung x Punktwert PD = Preis der Leistung in €

Leistung Punktwert wird durch Kasse festgelegt

bedeutet steigt der Punktwert, steigt der Preis der Leistung.

Nr. 2 – Der Pflegedienst bezahlt nun laut Gesetz dem Arbeitnehmer ein Tariflohn, Summe X. Diese Summe X muss erwirtschaftet werden durch Erbringung von Leistungen an dem Klienten, im Bestmöglichsten Fall durch kurze Anfahrtszeiten, zügiges abarbeiten der Leistungen – ohne viel Zeitverzug durch Psychosoziale Betreuung – sprich Gespräche führen. Hat man „gewinn“ gemacht, jedoch widerspricht sich in meinen Augen das Zügige Umsichtige Arbeiten ohne Kommunikation mit guter Pflege, zumal die Pflege Ganzheitlich betrachtet werden soll, jedoch ist dies von Kassenseite nicht vorgesehen! und das unterstelle ich den Pflegekassen regelrecht.

Das Ungleichgewicht kommt dann zustande wenn ich für die Summe X einer Leistung

A) wenig Zeit habe aufgrund das je länger man benötigt der Stundenlohn den Leistungspreis at absurdum führt.

B) die Pflegequalität darunter leidet und dazu gehören Gespräche sowie ein offenes Ohr.

bedeutet knallhart gesprochen, steigen die Löhne (was sehr gut ist) müsste man Zeiten und Leistungen optimieren.

jetzt haben wir 2 Faktoren die eine Rolle spielen, man könnte meinen, dann geht in Verhandlungen mit den Kassen, damit ihr einen höheren Punktwert bekommt und die Preis/Lohn Proportion wieder in Gleichgewicht ist. Das ist natürlich die logische Konsequenz, aber einen dritten Aspekt haben wir dabei völlig außer Acht gelassen, der Pflegebedürftige hat nur ein Pflegebudget, steigen die Löhne was gleich bedeutet das die Leistungspreise steigen müssen, ist jedoch das Pflegebudget schnell aufgebraucht und der Bedürftige muss in Privatleistung gehen, das heißt er muss sein Erspartes oder seine Rente fließt in die Bezahlung der erbrachten Leistung mit ein. Mein Gedanke ist, wie sieht das in den nächsten 2-5 Jahren aus? die Löhne müssen steigen Sehe ich komplett ein auch meine Mitarbeiter freuen sich darüber aber was bringt es mir, das der Pflegebedürftige um den es hier geht, seine erspartes Geld dafür hergeben muss damit er versorgt ist? Müssten den nicht auch die Pflegegelder steigen?

und das ist das Problem was aktuell Vorherrscht, das ist die „Refinanzierung“ von dem alle sprechen. In den Vergangen Jahren müssen wir den Pflegebedürftigen Pauschalen auf die Rechnung legen um die Azubis zu finanzieren, sowas gab es zu meiner Zeit nicht. Da war die Ausbildung noch so das man beispielsweise im Betrieb wo man gelernt hat 3-4 Wochen war danach war 2 Wochen schule oder anders herum, durch die generalisierte Ausbildung sehe ich meinen Azubi vielleicht alle 3 Monate? Es ist super das er viele Stationen miterlebt und viele Einblicke erhält in die anderen Bereiche der Branche, dennoch behaupte ich das es ein „Schnupperkurs“ für alle Bereiche ist, aber das ist ein anderes Thema. Jedoch die Ausbildung wird mit durch Pflegebedürftigen finanziert, in Sachsen müssen Pflegebedürftige sog. Investionskosten bezahlen, das ist ein Aufschlag für Betriebskosten, Verwaltungskosten, Miete etc. die wir auferlegen müssen.

Wird es so werden??? – Pflege nur noch für gut betuchte? Meiner Meinung, Ja! so wird es kommen, wenn Sich nicht etwas ändert, entweder an den Katalog System oder der Finanzierung der Pflegebedürftigen in diesem Sozial/Gesundheitssystem…